Ingrid Krause
Ingrid Krause
11.08.2022

Verführung an der Eismaschine

Eis vom Bauernhof aus dem beschaulichen Wilstedt

Ob ich wohl aus dem Nähkästchen plaudere? Natürlich nicht, denn ich meine das Eis, das schier unendlich aus der Eismaschine kommt, und verführerisch aussieht. Aber schnell mal den Finger reinhalten und naschen ist nicht, in der Eis-Manufaktur ist alles penibel sauber. Geduld ist mal wieder bis zur Verkostung gefragt, denn nun geht die Handarbeit vor. Doch dann folgt der pure Genuss beim Kosten dieser selbst kreierten Eiscreme.


Inhalt:
Meike und Ralf - ein Paar und ein Team

Der Eismann und die Gartenfee

Ralf Meyer ist Landwirt. Er hat einen kleinen Hof mit 55 Milchkühen, die in den warmen Monaten tagsüber auf die Weide dürfen. Mit ein paar Kälbern und einigen Flächen für Futteranbau. Meike Schulte-Meyer ist plante als Landschaftsarchitektin schöne Gärten, bis die Eisdiele eröffnet wurde. Beide wohnen mit ihrer 10jährigen Tochter und der Mutter direkt neben - oder fast in - dem Familienbetrieb.

Im Jahr 2009 standen sie vor einer Entscheidung: Wie kann der Betrieb zukunftsfähig werden? Vergrößern war keine Option, welche Nische also suchen? Dazu kam der Wunsch nach Feedback, das ihnen fehlte, wenn die Molkerei lediglich die Milch abgeholt hat. Melken, Milch durch eine Leitung abliefern: niemand kam damals durch die Tür mit einem Lob für das leckere Produkt. Als ich zu Besuch war, da gab es das von einer Party-Kühltheken-Abholerin, mit viel Vorfreude und leuchtenden Augen.

Das Paar kam damals also auf die Idee, Eis zu produzieren. Dann hieß es: Learning by doing. Bücher lesen, ausprobieren und ganz viel Kreativität einbringen. Youtube hilft ja auch in allen Lebenslagen. Mit den Jahren ist das Eis vom Milchkontor Wilstedt bis in die umliegenden Metropolen bekannt geworden. Es wird in der Region ganzjährig vermarktet, und das finde ich prima. Denn es ist mega lecker, was auch die Auszeichnungen beweisen. Bereits zweimal, zuletzt 2020, wurde es über das Magazin falstaff zur besten Eisdiele Niedersachsen gekürt. Und der Varta-Führer hat das Eis 2021 empfohlen.

Kreative Eisvielfalt zwischen Vanille und Schoko-Whisky

Das Eis läuft, und läuft, und ...

Mit den Jahren sind die kreativen Eiskünstler auf rund 250 Sorten gekommen. Etwa 18 Sorten gibt es in der Theke, rund 30 im Zuhause-Becher. Die mit Abstand beliebteste Sorte ist Vanille. Das ist eben in Deutschland so. Glücklicherweise ist Ralfs Lieblingsaufgabe das Ausschaben der Vanilleschoten, insofern hat er mit der Vanilleeis-Leidenschaft der Kunden kein Problem. Hier wird mit richtiger Vanille aus Madagaskar gearbeitet, Aromen gibt es nicht. Zu ganz teuren Zeiten hat das Kilo 1.000 Euro gekostet, aber es lohnt sich in Bezug auf den Geschmack.

Meine Lieblingssorte ist Mango-Lassi. Die wurde irgendwann mal „Eis des Monats“, und hat es zum Evergreen gebracht. Mich erinnert sie an meinen Traumurlaub in Sri Lanka. Eis ist eben nicht nur der pure Genuss, sondern auch sehr emotional. Übrigens kannst du dir ein Eis des Monats wünschen, allerdings ist die Warteliste sehr lang. Und nicht alles funktioniert als Eis zusammen, was mit einzelnen Zutaten scheinbar geht. Das Petersilien-Eis zur Petersilien-Hochzeit war zwar machbar, aber laut Meike nur mittelmäßig lecker.

Wie viel Eis von den alkoholhaltigen Sorten nötig sind, um einen Schwips zu bekommen, das ist nicht überliefert. Bei der Bestellung ist es aber gut, genau zu schauen, was die Lütten so wünschen. Amaretto, hört sich doch lustig an!? Mit Bier wurde auch schon experimentiert. Mein Wunscheis wäre ein Witbier-Eis mit Hefeweizen, Koriandersamen und Orangenschalen. Und einem Hauch von Mädesüß. Liebe Meike, lieber Ralf, ob ihr das mal ausprobiert? Bitte …

How to make "Butterkeks-Karamell"

Mein Eis Butterkeks-Karamell

Bei meinem Besuch war gerade diese besonders süße Verführung in Arbeit. Und weil sie so süß ist, konnte ich dann doch einigermaßen widerstehen.

In diese Sorte werden gebrochene Butterkekse unter die Eismasse gemischt, in der sich selbst gemachtes Karamell befindet. Je nach Sorte variiert dies natürlich, und bei Sorbet ist die Machart noch einmal ganz anders. Ansonsten ist die Herstellung von Eiscreme, so wie sie schon früher in der Region handwerklich zubereitet wurde, immer gleich:

Milch kommt abends direkt von der Melkmaschine in die 120-Liter-Pasteurisierungsmaschine. Sie wird darin mit den entsprechenden Zutaten gemischt. Das sind

  • Milch
  • Sahne
  • Eigelb
  • Verschiedene Zucker
  • Je nach Sorte Karamell, Gewürze wie Vanille, Schokolade, Nüsse oder andere Zutaten

Nicht (!) hinein kommen künstliche Hilfsstoffe oder Zusatzstoffe.

In der Maschine wird die Mischung auf 67-68 Grad gut 35 Minuten lang erhitzt und ständig gerührt. Dadurch werden mögliche Keime in der Rohmilch abgetötet. Durch dieses Vorgehen muss die Milch nicht gleich heruntergekühlt werden, sie verbindet sich lange mit den weiteren Zutaten. Das ist gut für die Aromen, die sich voll entfalten können. Auch das nicht zu heiße Pasteurisieren über einen längeren Zeitraum ist gut für Geschmack und Qualität. Zusätzlich wird Energie gespart.

Am nächsten Tag wird die Mischung (in heißen Zeiten sind alle 3 Behälter voll) Eimer für Eimer in die Eismaschine gefüllt. Jede Eimerfüllung braucht darin 8 Minuten. Die Eismischung friert dabei am Metallzylinder fest, Schaber kratzen die Masse immer ab und rollen sie auf. Am Ende ist das Eis etwa minus 10 Grad kalt, geknetet, gerollt und nochmals geknetet. Die Wassermoleküle, die Kristalle gebildet haben, werden so zerkleinert, dass eine wunderbare Eiscreme entsteht. Der pure Genuss!

Maschine 1: Pasteurisierung
Maschine 2: Eismaschine
Maschine 3: Hände von Ralf und Meike in Teamarbeit

Und hier noch mal im kurzen Film:

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Eis selber machen – ohne Eismaschine

Nicecream mit Mango, Kokos und Banane

Ein Rezept für „schnelles Vanilleeis ohne Eismaschine“ habe ich bei Chefkoch gefunden. Das Problem: Laut Ralf kann gutes Eis nicht schnell gemacht werden. Auch daheim solltest du die Mischung am Vortag zusammen rühren, und dann einfach stehen lassen. Es muss auch eine Variante ohne das Aufkochen geben, denn auch das bedeutet einen Geschmacksverlust. Kennst du eine? Jedenfalls muss die Masse eigentlich alle 20 bis 30 Minuten sehr gut gerührt werden, um die Eiskristalle aufzubrechen. Ich habe das vor vielen Jahren mal probiert, und fand das aufwändig.

Nun bin ich ein Fan von „Nicecream“ geworden, seit ich meine einigermaßen leistungsstarke Küchenmaschine habe. Kein Wunder, dass meine Lieblings-Nicecream, die wirklich rasant fertig ist, an die Sorte Mango-Lassi erinnert. Es schont die Röllchen auf der Hüfte und ist rein pflanzlich. Und das geht so:

  • 400 Gramm gefrorene Mangostücke (1 Tüte aus der Tiefkühlung)
  • 1 kleine gefrorene reife Banane (ich schneide die Banane fein und friere sie dann ein; vor dem Mixen die Scheiben auseinander friemeln)
  • gut 1/2 Dose Kokosmilch (im Kühlschrank gekühlt, vor allem von oben die feste Masse nehmen und nur wenig vom Kokoswasser darunter)

Alles zusammen musst du einfach in den Mixer schmeißen und ordentlich pürieren. Meine Küchenmaschine hat extra ein Programm dafür, sehr cool. Und dann heißt es: Auslöffeln und sofort genießen!

Ich habe keinen Zucker, Sirup, Dattelsüße oder ähnlich dazu getan. Das kannst du natürlich machen, wenn du es süß magst, oder wenn die Banane nicht so reif war. Auch etwas Kokosöl, das kalt ja recht fest wird, mag gut dazu passen und die Konsistenz fester machen. Mir und meinem Partner reichte das ohne weitere Zutaten. Nur etwas Deko durfte sein, Agastache-Blüten und Zitronen-Verbene aus dem Garten. Irgendwas musste ja regional sein ...

Auf dem Foto siehst du die gesamte Menge in einer recht großen Müslischale. Sie reicht eigentlich für drei oder vier Personen, wir haben das aber auch zu zweit geschafft. Die Kosten lagen hier etwa bei fünf bis sechs Euro. Ein Zuhause-Becher mit 500 ml kostet derzeit beim Milchkontor 6 Euro, vergleichbar mit Marken-Industrieprodukten im Supermarkt. Wenn ich das so betrachte, ist der Preis in Wilstedt überraschend günstig, sofern man eh in der Nähe ist.

Veranstaltungen – und was es sonst noch gibt

Eisbecher - unter anderem mit Olivenöleis

Das Milchkontor und artefakt – die Olivenölkampagne (zu ihnen gehört das schöne Fachwerkhaus) sind Nachbarn, dazwischen befinden sich die Außengastronomie und ein kleiner Spielplatz. Einmal im Jahr finden die Olivenöl-Abholtage in Wilstedt statt, natürlich auch auf diesem Gelände. Und was liegt näher, als dafür ein Eis mit dem Olivenöl der Nachbarn zu produzieren? Ich habe es in diesem Jahr gekostet – sehr lecker!

Eine ganz kleine Veranstaltung ist der Tag des offenen Gartens hinterm Haus von Meike. Denn sie hat dort einen kleinen Arche-Garten, der wirklich sehenswert ist.

Ansonsten kannst du beim Milchkontor, sehr überraschend, Milch bekommen. Und selbstgemachten Joghurt. Und Käse, der von Heidis mobiler Käserei aus Elsdorf erstellt wird. Ganz neu ist das Hafermilch-Experiment aus dem eigenen Hafer, denn auch vegane Spezialitäten gibt es im Café. Am „Hafermilch-Tasting“ habe ich mich mal beteiligt. Noch ist nicht alles perfekt, aber so gut, dass die Hafermilch schon den Cappuccino im Café ziert. Für mehr fehlen eine neue Maschine und Zeit. Aber es wird, ganz bestimmt, dann gibt es endlich regionale Hafermilch in der Glasflasche.

Übrigens gibt es noch mehr Eis von Höfen aus der Region: Röpers Hof aus Scheeßel-Wohlsdorf macht zum Beispiel super leckere Sorten. Und es gibt Bauernhof-Eis in den Melkhüs. Das ist das Eis von einem Franchise-Unternehmen, vor Ort produziert, aber nach vorgegebenen Rezepten. Es kommt gegen das Milchkontor oder Röpers nicht an, erfrischt aber auch wunderbar.

Meike Schulte-Meyer und Ralf Meyer

5 Fragen an ...

  1. Kommt ihr gebürtig aus dem Landkreis Rotenburg (Wümme)?
    Ralf kommt gebürtig aus dem Landkreis, ich - Meike - komme aus dem südlichen Kreis Vechta.
  2. Was ist euer persönlicher Lieblingsort im Landkreis?
    Unser Lieblingsort sind die vielen idyllischen Flecken an der Wörpe. Da kann man auch in der stressigen Eissaison eine schnelle, kleine Auszeit einlegen, denn das ist mit dem Rad nur wenige Minuten von uns entfernt.
  3. Was schätzt ihr an den Menschen in der Region besonders?
    Die Menschen hier sind bodenständig, aber gleichzeitig aufgeschlossen.   
  4. Was macht die Region lebens- und liebenswert? 
    Viele schöne Ecken zur Naherholung. Viele schöne Flecken, die man mit dem Rad entdecken kann. Außerdem sind sowohl Hamburg als auch Bremen gut erreichbar, für Konzerte etc.
  5. Seid ihr eher Team Aktiv, Natur, Kultur oder Auszeit?
    Wir sind beide Team Natur. 

Milchkontor Wilstedt

Am Löhberg 2
27412 Wilstedt
Tel: 04283 609038
E-Mail: info@milchkontor.de

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