Sieben Bisons für Boitzen
Bei Zeven weht ein Hauch von Wildem Westen
Mit sieben Tieren fing es vor präzise zehn Jahren an. Sechs Mädels und Bulle Bruno. Sein Job: Für Nachkommen sorgen, denn es sollte eine kleine Zucht werden. Heute besteht die Bisonherde bei Zeven aus rund 25-30 Tieren, das variiert. Aber wieso Bisons in dieser norddeutschen Landschaft? Ich machte mich auf, um das Rätsel zu lösen.
Bison-Besuch bei Schmuddelwetter
Der Morgen meines Besuchs ließ nichts Gutes erwarten: In der Nacht regnete es praktisch durchgängig. Ob das noch was wird mit den Fotos? Wetter-Apps eins bis drei machten ein wenig Mut, Apps vier bis fünf eher weniger. Aber es war nicht einfach, den Termin zu schieben, denn der Bisonhof wird nur nebenberuflich geführt. Also optimistisch bleiben, gemütlich im Campervan frühstücken und los. Los? Oh nein, das ging nicht, die Wiese auf dem Campingplatz war so aufgeweicht dass ich mich festfuhr. Glücklicherweise kam Hilfe aus den benachbarten Wohnmobilen.
Die wunderbar entspannte Art von Cord brachte mich wieder runter, und der Regen hatte inzwischen aufgehört. Ein Glück, es konnte losgehen. Bevor es aber zu den Tieren geht, ein paar Infos zu Cord und seinen Mitstreitern:
Ich lernte das Team auf dem Hoffest von Heidi's mobiler Käserei kennen. Cord Oerding, Nicole Klindworth und ihr Mann Mario Klindworth hatten 2012 die Idee, Bisons zu züchten. Bereits 2013 wurde der Plan umgesetzt. Dabei kümmern sich Cord und Mario gemeinsam um die Tiere. Cord ist weiterhin für den Vor-Ort-Verkauf zuständig, Mario für die landwirtschaftlichen Themen wie Grünlandpflege und Heuernte. Nicole kümmert sich um den ganzen Bürokram und die Werbung. Alle sind voll berufstätig und gehen ihrer Bison-Leidenschaft in ihrer Freizeit nach. Daher war es nicht anders möglich, Cord war alleine vor Ort, und vertritt hier das ganze Team.
Dass Bisons zu Cord passen, das sieht man auf dem Hof sofort, denn unverkennbar wohnt dort ein großer Amerika-Fan. Und ein sehr netter dazu: Freundlicherweise wurde ich auf dem neuen Heuballen zur Weide gefahren.
Neben dem Gras fressen die Bisons ausschließlich selbst geerntetes Heu. An diesem Tag war ein neuer Ballen fällig.
Vom Heuballen aus hatte ich einen prima Blick, den ich gleich für ein paar Fotos nutzte. Dann ging es auf die Weide, und die Bisons - flohen vor mir. Warum, was hatte ich getan? So böse sah ich doch auch nicht aus, oder? Cord meinte das wäre normal, denn die Tiere können zwar gefährlich sein, sind eigentlich aber nicht angriffslustig und suchen als Fluchttiere erst einmal den Abstand. Mich kannten sie halt nicht, irgendwas war anders als sonst. Mir wurde klar: Mit Kuscheln wird das heute nichts.
Was mir noch klar wurde ist, dass ich keine Geräusche der Tiere aufnehmen würde. Das "Muh" einer hiesigen Kuh fehlt total, manchmal grunzen sie eher.
Wer sitzt denn da auf unserem Futter? Schnell mal weg, die könnte gefährlich sein ...
Schauen wir mal in Ruhe mit gebührendem Abstand, was da passiert. Hm, scheinbar ist die ganz in Ordnung, und Hunger haben wir ja auch.
Na gut, mutig nähern wir uns wieder. Aber immer schön vorsichtig, und die Neue bloß nicht aus den Augen lassen.
Der Film
Zum kurz mal Bisons gucken ...
Bisons - mit 1 Tonne rasant auf 50 kmh
Aufgrund des Regens sahen die Tiere etwas bedröppelt aus, auch wenn Kälte für sie bis -40 Grad Celsius angenehm ist. Schade für die Fotos, aber "da kannste nix machen". Das sonst so flauschige Fell matschte an den massigen Körpern, die allerdings weniger massig waren als ich erwartet hatte. Eine Bison-Kuh kommt auf etwa 500-600 Kilo, ein Bison-Bulle gerne auch auf eine Tonne. Dass Limousin-Rinder noch schwerer sind, hat mich doch überrascht. Die sind aber wohl nicht so schnell - Vorteil fürs Bison. In der Weite der Prärie können Bisons rund zwei Stunden lang in einem Tempo von 50 kmh laufen, unter ihrem Buckel haben sie eine große Lunge. Da macht ein Gepard schon lange schlapp. In Boitzen ist natürlich am gut gesicherten Zaun Schluss. Weil Tiere allgemein aber selten aus Jux rennen, sondern in der Regel weil sie jagen (was bei Bisons entfällt) oder flüchten, ist eine ganze Prärie-Landschaft auch gar nicht nötig für das Wohlbefinden. Hauptsache, es kommt immer reichlich Futter, wenn es auf den Wiesen zu wenig wird.
Übrigens hat die weite Prärie auch nicht davor geschützt, dass die Bisons in Amerika wegen der Felle fast ausgerottet wurden. Glücklicherweise ist das Vergangenheit, dennoch haben sich die Bestände nie erholt.
Bisons sind keine Büffel, auch wenn man sie als buffalo kennt. Sie sind verwandt mit dem Wisent, das im Gegensatz zum Bison deutlich aggressiver ist und in Osteuropa noch wild vorkommt.
Der hungrige Bulle auf dem ersten Bild kommt übrigens aus Hagenbeck's Tierpark in Hamburg, weshalb er ausnahmsweise einen Namen bekommen hat: Jan Fedder. Er ist ganz neu in der Herde, und soll sich um weiteren Nachwuchs kümmern.
Der erste Bulle Bruno lebt ja nun nicht mehr, aber zu ihm gibt es eine wilde Geschichte. Als seine ersten Kälber geboren wurden, wusste er nicht so richtig, was es mit den kleinen Wesen auf sich hatte. Waren die Lütten ein neues Spielzeug? Cord stockte der Atem, als Bruno ein Kalb wie einen Ball über die Weide schleuderte. Warum soll man den Nachwuchs nicht auf die Hörner nehmen und einmal den Weitwurf üben? Ganz erstaunlich war, dass sich das Kalb dabei nicht verletzt hatte, und auch seelisch keinen erkennbaren Schaden erlitten hat.
Damit verbinde ich aber eine ganz ernste Warnung an Jan Fedder: Lass' meine Martha in Ruhe!
Meine Martha
Dieses schnuckelige Kälbchen wurde erst ganz spät geboren, Ende September. Ich habe es gleich ins Herz geschlossen. Inzwischen ist klar: Es ist ein Mädchen. Bei Bisons kann man das nicht so leicht prüfen wie bei den Kälbchen der Schwarz-Bunten, denn die Eltern lassen dich nicht wirklich ran an sich oder die Lütten.
Eigentlich haben die Tiere - bis auf den Hamburger Bullen Jan Fedder - keine Namen mehr. Aber ich habe diesen kleinen Nachzügler einfach für mich auf den schönen Namen "Martha" getauft.
Lieblingsbeschäftigung? Essen!
Das Heu schien sehr schmackhaft zu sein, denn die Bisons labten sich ausgiebig daran. Das ist wohl ihre Lieblingsbeschäftigung, neben Rumstehen. Erst einmal fraßen natürlich diejenigen, die in der Hierarchie vorne stehen. Wer das Leittier war, das konnte ich nicht ausmachen. Im Hintergrund stand aber immer ein Tier, das sich nicht ran traute. Für mich erscheint so etwas immer ganz gemein, aber so ist nun mal die Natur.
In der echten Natur hätten die Bisons keine Fressfeinde, in Ausnahmefällen kommt vielleicht der Sibirische Tiger, oder Jungtiere fallen Wölfen zum Opfer. In unserer Kulturlandschaft sind wir selbst der Fressfeind. Na ja, es ist halt so, dass die Herde nicht immer weiter wachsen kann, wegen der fehlenden Prärie. Also müssen immer wieder Bisons von uns gehen, was in der Regel nach drei oder dreieinhalb Jahren geschieht. Hier passiert das auf eine Art, die nach meiner Meinung vorbildlich ist: Mit dem Weideschuss. Treiben könnte man diese Tiere auch gar nicht. Die Herde hat bei diesem Vorgehen keinen Stress. Nach dem Schuss ist der Schlachter gleich vor Ort, bei Oste-Fleisch in Elsdorf wird alles weiter verarbeitet.
Da meine Lieblingsbeschäftigung zwar auch Essen ist, aber nicht der Genuss von Würstchen, hat mein Freund die Krakauer probiert. Diese ist recht neu im Angebot, wurde von Cord empfohlen und von meinem Freund für sehr gut befunden. Das Fleisch hat kaum Fett und Wasser, was bei der Verarbeitung zu berücksichtigen ist. Wenn man sie aber nicht zu lange gart, dann schmeckt sie sehr fein. Das Fleisch wird vor allem online verkauft. Das System hierfür kommt von der Firma Friedhold, dort findest du auch weitere Farmer aus der Region. #supportyourfarmer ist das Motto, und so heißt auch die gleichnamige App.
Cord und sein Lieblingsplatz
Wer bei Cord zu Besuch ist merkt schnell, dass er ein Herz für Amerika hat: Überall findest du Deko-Elemente, die keinen Zweifel daran lassen. Im hinteren Bereich gibt es eine Veranda mit Grill und Hängebank und viel Platz fürs Barbeque. Von der Bank aus kann er seine Herde beobachten, das ist richtig klasse. Diese Veranda ist der Lieblingsplatz von Cord, und das kann ich gut verstehen. Und damit es schön warm ist, liegen natürlich auch Felle bereit.
Die Felle der Tiere sind super warm und kuschelig. Wenn du gerne ein Exemplar kaufen möchtest, dann kannst du ihn fragen, ob er eins für dich hat. Theoretisch könntest du auch ein präpariertes Tier bekommen. Das ist vielleicht nicht ganz meine Leidenschaft, aber vor Ort hatte das für mich nichts Makabres. Und wenn, dann sollte jedes Tier schließlich respektvoll komplett verwertet werden.
Lieblingsplatz Nummer zwei ist natürlich direkt bei den Tieren. Auch wenn man dabei immer mal hinter sich checken muss, ob alles ruhig ist, denn zahm sind die Tiere eben nicht.
Ob Martha doch mal bereit ist, mit mir zu knuddeln? Gerne würde ich wiederkommen, und es zumindest probieren. Bis dann, meine Liebe!
Bisonhof Boitzen
Hinter der Schule 4
27404 Boitzen
Tel:
04287 1272
E-Mail:
bisonhof-boitzen@gmx.de
Nach vorheriger Absprache kannst du dir die Bisons gerne anschauen.
Verkauft wird das Fleisch in unregelmäßigen Abständen vor Ort. Die Termine findest du auf der Website.
Online ist das Fleisch über die Seite von Friedhold erhältlich. Schau gerne auch in die App "Support Your Farmer", über die du ebenfalls bestellen kannst.
5 Fragen an ...
- Kommst du gebürtig aus dem Landkreis Rotenburg (Wümme)?
Ja, aus Boitzen, ich bin auf diesem Hof aufgewachsen. - Was ist dein persönlicher Lieblingsort im Landkreis?
Meine Terrasse mit Blick auf die Bisons. - Was schätzt du an den Menschen in der Region besonders?
Die Offenheit der Leute und die Gemeinschaft im Dorf. - Was macht die Region lebens- und liebenswert?
Alles fühlt sich hier für mich gut und richtig an. - Bist du eher Team Aktiv, Natur, Kultur oder Auszeit?
Ich bin gerne draußen aktiv und mag besonders Wald und Wasser. Sehr wohl fühle ich mich im Harz oder an der Nordseeküste in Dänemark.
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